In Ostafrika kann man - neben dem herrlichen Badespass am Indischen Ozean und dem Besuch der vielen Tier-Reservate - vor allem herrlich 'bergwandern'. Noch vor der Besteigung des Kilimanjaro unternahm ich im Dezember 1990 - eigentlich unterwegs per Motorrad von Nairobi in Kenya bis Kapstadt in Südafrika - mit meinem Freund Andrè eine 5-tägige Bergwanderung im Mount Kenia-Massiv, quasi als Einstimmung, als Eingewöhnung in Land, Leute, Klima, Vegetation, vor allem aber in die extrem dünne Luft in rd. 5000 m Höhe ...
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Mount Kenya_Winter 1990
Gut gewappnet, ging`s danach nach Tansania ... über Arusha zum Fuße des "KILI"=Kilimanjaro ...
... Tagebucheintrag ...
27. Dezember 1990 ...
(nach der Besteigung des
"KILI")
" ... Bereits 1962, als 15-Jähriger, hatte ich von Hemingway "Schnee am Kilimanjaro" gelesen. Als ich das erste Mal, 1971, also vor etwa 20 Jahren, in Kenia und Tansania war, reifte der Entschluss, irgend wann einmal dieses Ungetüm zu besteigen, ja zu "besiegen". Nur mit "besiegen" ist nicht viel ... , denn je näher man seinem Gipfel kommt, desto mehr spürt man die scharfen Zähne dieses Ungetüms. Beherzigt man einige -ungeschriebene- "Gesetze" nicht, so wird man seinen Gipfel nie erreichen. Ich habe bei der Besteigung viele Leute scheitern sehen, die alle Ratschläge in den Wind geschlagen hatten ...
... 1. Tag ...
( ... 23.12.1990 ... )
Kurzum, Motorrad auf dem sicheren Gelände des Kibo-Hotels abgestellt. Am Marangu-Gate
in rd. 1800m Höhe erhalte ich wider Erwarten und entgegen allen Infos nach langer Diskussion doch noch das "permit" für die Besteigung; evtl. müßte ich im eigenen Zelt schlafen, denn die Hütten seien alle angeblich belegt. Ich suche mir den Führer Pascual sowie zwei mit ihm befreundete Träger aus, die Zelt, Isomatte, Schlafsack, warme Sachen, ausreichend Wasser und Lebensmittel für 5 Tage, Medikamente etc., alles verpackt in meinen wasserdichten Packsäcken, tragen werden. Die Jungs sind ganz schön in Form: Je schneller ich gehe, desto schneller sind sie. Vom "entrance",
d.h. vom Eingang des Riesen-Nationalparks "Kilimanjaro" ist es ein Halbtagesmarsch bis zur 1. Hütte, der "MANDARA-HUT"
in rd. 2.700 m Höhe. Anfangs geht es durch tropischen, beinahe urzeitlichen Regenwald, wo fetzenartige Gewebe von den Bäumen hängen.
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Beispiel eines ähnlichen urzeitlichen Märchenwaldes; hier: im RUWENZORI-Massiv,
UGANDA 1992
Am 2. Tag , nachdem ich doch noch einen Platz in der Hütte fand, setzt sich der Weg durch diesen urzeitlichen Märchenwald zunächst noch fort, allmählich wird die Vegetation jedoch spärlicher. Aber immer noch Farne, Pflanzen wie wir sie zuhause als Topfpflanzen haben, übermannshoch, Riesen-Senezien, Riesen-Lobelien, etc..., viele blühende Gewächse ...
Der Urwald geht also in eine Busch- und Wiesenregion über. Am Ende des 2. Tages erreicht man die
"HOROMBO-HUT" in rd.
3.700 m Höhe. Die Luft wird hier schon spürbar dünner, schwereres Atmen ist angesagt, schlafen ist Glücksache ...
Am 3. Tag ist man erstmals richtig gefordert: Andere Bergsteiger (-wanderer) haben erste Ausfälle zu beklagen: Kopfschmerzen, Übelkeit, teilweise Erbrechen. Sie haben die sogen. ungeschriebenen "Gesetze" gebrochen, sie sind viel zu schnell aufgestiegen, vor allem aber haben sie kaum Flüssigkeit und Mineralien zu sich genommen ... wie der selbsternannte "südbadische Marathonmeister", der mir jeden Tag von seinen Erfolgen erzählt und mich immer wieder nervt, indem er spöttisch fragt, warum ich denn nicht schneller aufsteige ... jetzt zahlt er den Tribut ... er ist völlig am Ende ... ja, Marathon ist eine andere Kategorie,
hier aber geht`s darum:
-eine -Höhe- von rd. 6.000 m zu erreichen
-seine Kraft richtig einzuteilen
-selbst sein eigenes Essen ausgesucht zu haben und natürlich auch selbst (...w/ Hygiene etc. ...)
zuzubereiten; allerdings wird der Hunger stetig geringer, je näher man den rd. 6.000 m kommt
-ausreichend und vor allem laufend Wasser zu trinken,
-genügend Mineralien zu sich zu nehmen, also Mineraltabletten, Vitamintabletten, aber auch
Salztabletten; natürlich auch Schokolade (Langzeitwirkung) und Dextro-Energen (Kurzzeitwirkung) ...
-etc. ...
vor allem aber dreht es sich hier um ...
-psychische Stärke ... etc. ...
...
Ich beherzige also die wichtigsten Ratschläge von erfahrenen britischen "KILI"-Bergsteigern: "drink, drink, drink ... and drink again ...", selbst wenn man keinen Durst verspürt ... sowie die Ratschläge erfahrener Kenianer: "pole, pole, pole ... " (Kisuaheli für: langsam, langsam, langsam ... )
Ist der Tag auch der bislang anstrengendste, so wird man voll entschädigt! Welch unglaubliches Glück; bei strahlend blauem Himmel sieht man den prächtigen, gewaltigen 5.895m hohen "KILI" in scheinbar greifbarer Nähe, allerdings hat man noch ca. 2.000 Höhenmeter vor sich. Auch hier waren die Tips richtig, erst um Weihnachten herum die Besteigung zu unternehmen. Entgegenkommende hatten oben nur einen völlig verhangenen "KILI" vorgefunden und sind -gefrusted- vor dem Gipfel resigniert umgekehrt.
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Weiter am 3. Tag: bei oder aber vor Erreichen der 3. Schutzhütte, der
"KIBO-HUT" in rd. 4.700m Höhe, hat es bereits viele erwischt: starke Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen. Ich fühle mich noch putzmunter, keine unangenehmen Anzeichen, keine Ausfälle, allerdings ein wenig Luftnot, aber damit hat jeder zu kämpfen. Daher ist an Schlafen kaum zu denken. Auch hier beherzige ich den eigentlich verrückten Ratschlag englischer Alpinisten: "... versuche, bei 4.700m Höhe, auf der Pritsche im Sitzen zu schlafen..." (im Liegen bekommt man keine Luft, kann im Schlaf nicht oder kaum atmen!) oder aber "... wenigstens ein wenig abzunicken..." : Bei mir hat`s offensichtlich geholfen: Beim Wecken um 24=O Uhr bin ich völlig entspannt, ausgeruht, in Topform. Jetzt will ich`s wissen, wo die Grenze der Belastbarkeit liegt!
Beim Start am 4. Tag um 1 Uhr morgens lasse ich die 2 Träger zurück und breche mit dem netten tansanischen Führer Pascual allein auf. Das lebensnotwendige Gepäck: Wasser, Schokolade, Energieriegel, Erdnüsse, Traubenzucker, Salz-, Vitamin- und Mineraltabletten, Medikamente sowie Regenzeugs und Kameras trage ich nun selbst, der engagierte Pascual weist den Weg. Wir befinden uns jetzt schon lange in der vegetationslosen Stein- und Geröllzone, es geht extrem steil bergan, viel steiler als in den vergangenen Tagen. Bald ist die Schnee- und Eisregion erreicht. Man bekommt hier nun entsprechend schnell die Grenzen der eigenen physischen und psychischen Kraft zu spüren: Man kann nun -in über
5.000m Höhe- nur Schritt für Schritt gehen, Anzahl und Dauer der Pausen werden immer größer.
Mit Pascual schließe ich mich einer Gruppe -offenbar Japaner- an, die aber m.E. viel zu schnell aufsteigt; daher löse ich mich davon und gehe wieder langsamer, also meine eigene "Geschwindigkeit", was sich bald als richtige Entscheidung erweisen sollte: als ich die Gruppe 2 Std. später überhole, taumeln alle, reden wirres Zeugs, leiden an extremem Schwindel, japsen unaufhörlich nach der kaum noch vorhandenen Luft, einige müssen sich fürchterlich übergeben. Für sie ist genau hier Schluss! Von der in Büchern zu findenden Beschreibung her müßten sie kurz vor dem beschriebenen (oft tödlichen) Lungenödem stehen! Ein Afrikaner will sie zurück begleiten.
Ich ziehe für kurze Zeit mit einer anderen, wesentlich langsameren -offenbar international gemischten- Gruppe weiter, löse mich aber auch hier, da sie nun wirklich äußerst langsam sind. Bei mir ist der Groschen gefallen, ich hab`s geschnallt; so spreche ich vor mich hin: "That`s it!" Die Erkenntnis dieses Tages: man muss seine eigene Durchschnittsgeschwindigkeit gehen, nicht zu langsam (ermüdet), keinesfalls aber zu schnell, das wäre das Ende der Besteigung! Man darf sich
keinesfalls einem Gruppenzwang
unterordnen! Ich teile meine Erkenntnis kurz Pascual mit, er nickt nur, er kann offenbar jede Geschwindigkeit problemlos meistern. Schon toll, diese Tansanier! Mit dieser banalen Erkenntnis versehen, mache ich von nun an sofort Pausen, wenn ich erschöpft bin und gehe zügig voran, sofern die Kräfte wieder da sind. Ich lasse mir jetzt weder von anderen Gruppen noch von Pascual meinen Zeitrhythmus vorschreiben. Dadurch behalte ich meine Top-Form.
Daß die Kräfte richtig eingeteilt wurden, erkennen wir auch daran, daß wir mit unserer zwar langsamen, aber gleichmäßigen Geschwindigkeit noch vor dem Gipfel immer mehr "Touris" überholen, solche, die uns zuvor überholten, aber auch solche, die 1/2 bis 1 Stunde vor uns gestartet sind. So erreichen Pascual und ich noch vor Sonnenaufgang den
zweithöchsten Gipfel des "KILI", den sogen. "Gillman`s Point",
5.715m, um 5.30 Uhr.
Viele müssen an dem extrem steilen Anstieg aufstecken, andere, die mit uns den Gillman`s Point erreicht haben, steigen wegen der extrem dünnen Luft, aber auch wegen der Affenkälte
(- 12 Grad C) und wegen des starken Windes nach wenigen Augenblicken wieder ab. Auch ich denke eine Sekunde über den sofortigen Abstieg nach, winkt doch weiter unten viel Luft ... Immerhin hat man einen Gipfel geschafft!? Fragend schaue ich zu Pascual hinüber; er kommt und sagt (wohl auch, weil ich ihm eine saftige Belohnung versprochen habe, wenn er mich ganz oben hinaufbringt), ich hätte meine Kräfte gut eingeteilt, müßte es eigentlich bis ganz oben schaffen. Er sagt: "pole, pole ... ". Ich solle mich eine halbe Stunde gegen die Felsen lehnen, die Augen schließen und in die aufgehende Sonne blinzeln. Leichter gesagt als getan, bei dieser dünnen Luft und der Affenkälte.
Brav gehorchend lehne ich mich gegen die Felsen, schließe die Augen und genieße die relative Wärme der ersten Sonnenstrahlen: ich sauge die Sonne gierig auf. Ich schrecke hoch, als Pascual -nach etwa einer halben Stunde, die mir wie Minuten vorkam- plötzlich sagt: "now or never", indem er auf die höher steigenden Wolken deutet. Er sagt, daß in 2 Std. alles dicht sein könne, Schnee aufkommen könne! Sollte ich hier tatsächlich aufgeben, kurz vor Erreichen des höchsten Punktes in Afrika? Nein, eindeutig, nein! Ich rufe, besser schreie -wegen des Windes- Pascual zu: "o.k., let`s try it, let`s do it".
Ein überlegenes Grinsen huscht über Pascuals Gesicht; er freut sich und amüsiert sich königlich, daß ich den inneren Schweinehund habe überwinden können. Wir tappen in Zeitlupe vorwärts. Unendlich, diese letzten, nur 180 Höhenmeter! Sie sind die längsten in meinem Leben. Immerhin brauchen wir dafür "nur" 1 1/4 Std. (lt. Buch 1,5 Std.). Ein ganz sachter, allmählicher Anstieg. Allerdings, jedesmal, wenn man meint, gleich den Gipfel erreicht zu haben, gibt es einen noch höheren Punkt.
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Aber diese Luftknappheit, ja extreme Luftnot! Die Luft ist so dünn, daß man meint, es gäbe sie gar nicht.
Dann -endlich- etwa gegen 7.30 Uhr am 26.12.1990 (2. Weihnachtsfeiertag) erreichen Pascual und ich das Gipfelkreuz! Ein erhebendes, unbeschreibliches Gefühl! Wir allein stehen auf dem
höchsten Punkt AFRIKAS, auf dem
UHURU-PEAK des KILIMANJAROS,
5.895m, über uns kann auf diesem Kontinent -im Moment- niemand sein, uns "liegt AFRIKA zu Füssen". Spontan umarmen wir uns und führen ein kleines Tänzchen auf, Freudentränen gefrieren allerdings sofort. Der eisige Wind fegt über den Grad und führt jetzt zu Temperaturen um die
-20 Grad C. Aus Spaß darf jeder mal kurz allein ganz oben stehen, während der andere einen Meter tiefer steht. Schnell noch die notwendigen Aufnahmen gemacht. Dann einige
Blicke in alle Himmelsrichtungen, über Tansania, Richtung Victoriasee in Uganda und natürlich Richtung Amboseli-Nationalpark in Kenia.
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Die Affenkälte, der eisige Wind, der über den Grad fegt und schlagartig aufziehende Wolken, die noch größere Kälte und Schnee ankündigen, vor allem aber die unvorstellbar dünne Luft zwingen uns, unseren Aufenthalt in fast 6.000m Höhe nach etwa 1/4 Std. abzubrechen. Wir steigen schnell ab, hastig nach Luft hechelnd und übernachten erst in der zweiten Hütte. Auf rd. 3.800m kann man ja richtig gut atmen, alles relativ.
Es hat alles geklappt, was für ein Abenteuer! "
(Copyright: Jochen A. Hübener, Dezember 1990)
P.S.: ... übrigens ... zurück am "entrance" gibt`s eine nette
Urkunde
über die erfolgreiche Besteigung des "KILI"
... natürlich nur nach Bestätigung durch den Führer ! Viel wichtiger aber ist die bleibende Erinnerung ... für mich noch heute (2003) eins der großen "highlights" auf meinen Reisen rund um den Globus !
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Welche Bergwanderungen in AFRIKA sind sonst noch zu empfehlen?
z.B.: 1.) Wanderung in den Virungas, Grenze RUANDA / ZAIRE;
2.) und 3.) Wanderung im RUWENZORI-Massiv etc...
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