Deutsche Gesellschaft im Umbruch
politisch bewegte Zeiten
1981-1983
zusammengestellt von:
Jochen A. Hübener
Vorspann, anläßlich des AKW-Gaus in Fukushima / Japan am 11. März 2011:
Ich erinnere mich noch ganz genau an den 28. Februar 1981, als ich als einziger des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 230 Mitarbeiter) an der Groß-Demonstration gegen das Atomkraftwerk Brokdorf teilnahm, zusammen mit rd. 100.000 anderen jungen und alten deutschen und ausländischen Mitbürgern.
Was kam damals alles an Kritik auf, an der Demonstration,
an den Demonstranten, in der Politik, in der Presse, im Beruf, was mußte
man sich da nicht alles anhören:
-"Wie könnt Ihr es wagen, daran teilzunehmen?"
-"Atomkraftwerke sind absolut sicher!"
-"Ihr kennt doch die bekannte Risikostudie:
Nach der deutschen Risikostudie von 1979 (Phase A)
ist alle 10.000 Reaktorjahre ein Kernschmelzunfall mit radioaktiver Belastung zu
erwarten, allerdings nur alle 1 Mio Reaktorjahre ein Kernschmelzunfall mit
mehreren akuten Todesfällen (akute Strahlenschäden)."
... zurück im DIW-Institut schrie mich Professor Dr. Krengel beim Mittagstisch vor rd.
50 Mitarbeitern an, sodaß alle Anwesenden ihr Besteck fallen ließen:
"Wie können Sie es wagen, als DIW-Wissenschaftler an einer gewalttätigen Anti-AKW-Demonstrationm gegen 100%-sichere
Kernkraftwerke teilzunehmen?" ... und dann, an die anderen Mitarbeiter
gewandt: "Schmeißt diesen Kerl aus unserm Institut!"
Nun, 5 Jahre später, am 26. April 1986 explodierte der
Reaktor in TSCHERNOBYL ... eine Umweltkatastrophe eines vorher ungeahnten Ausmaßes.
... der Herr Professor stand ganz schön im Regen ... mit seinen Theorien:
- alle 10.000 Reaktorjahre ein Kernschmelzunfall mit
radioaktiver Belastung?
- nur alle 1 Mio Reaktorjahre ein Kernschmelzunfall mit
mehreren akuten Todesfällen?
... und noch heute versuchen die Politiker, uns diese Mär von der Sicherheit der AKWs einzutrichtern, einzuhämmern ... und ... die Bevölkerung scheint einfach nur blind zu sein, sie akzeptiert nicht nur das weitere Bestehen der AKWs, nein, die ganz Pfiffigen meinen gar, neue AKWs sollten gebaut werden!
Es wäre gut, folgende 3 Tage nie zu vergessen:
- Demonstration gegen das Kernkraftwerk Brokdorf: 28.
Februar 1981
- Tschernobyl-Kernreaktor-Katastrophe: 26. April 1986
- Fukushima-Kernreaktor-Katastrophe: 11. März 2011
Auch ein noch so angeblich sicheres AKW kann -unabhängig
von dem Problem der Entsorgung- gefährdet sein durch zig-mögliche, denkbare Umstände:
Neben Terror, Krieg und Unfällen kommen natürlich vor allem Erdbeben
und Tsunamis infrage ...
nicht vergessen werden sollten rücksichtslose Kapitalinteressen in Verbindung mit Korruption,
Einsparungen an Material, Unterlassen oder Hinausschieben von notwendigen
Reparaturen, Schlampereien, oft aber wird die reine menschliche
Unzulänglichkeit, die Unfälle hervorrufen kann, geflissentlich nicht in
die Reihe möglicher Ursachefaktoren für AKW-Unfälle einbezogen.
Im Moment ist die Menschheit noch nicht gegen Erdbeben gefeit und die Vorwarnzeit ist gleich "0", beim Tsunami ist die Vorwarnzeit unwesentlich länger. Diese Risiken sind also kaum zu minimieren. Die Risiken aber bei der Kernenergie können gegen "0" zurückgefahren werden ...
Wie?
Nun, denkbar einfach: alle Kernkraftwerke abschalten, möglichst umgehend,
vor allem aber keine neuen mehr installieren.
... würde mich freuen, wenn Mann und Frau, Jung und Alt AKWs nicht weiter tolerieren.
Nachtrag (16.03.2011)
Nachtrag (23.03.2011)
Möchte "AKW-Gegner" als auch noch "Unentschlossene" auf
folgendes "Energie-Aufklärungs-Video" aufmerksam machen (entstanden
lange vor der Katastrophe in Japan):
"Die 4. Revolution - Energy Autonomy_Community-Trailer"
Nachtrag (So., den 27.03.2011)
Toll, einfach toll! Endlich scheint die Bevölkerung aufgewacht zu sein! Heute
zumindest wurde in einem Teil Deutschlands, in Baden-Württemberg den
ignoranten, rücksichtslosen Politikern die rote Karte gezeigt, sie wurden von
der Wahl-Bevölkerung ... eindrucksvoll ... einfach ... abgestraft.
-ENDE VORSPANN-
Quellen, für die folgenden Artikel: FAZ, Stuttgarter Zeitung, Hamburger Abendblatt, Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz
Demonstration gegen das Kernkraftwerk BROKDORF
28. Februar 1981, in der Wilster Marsch ...
100.000 Demonstranten ziehen zur Baustelle Brokdorf. Die Kieler Regierung - allen voran Innenminister Uwe Barschel (CDU) - spricht von gewaltbereiten "Reisechaoten" und zieht mit mehr als 10 000 Beamten aus ganz Deutschland das bis dahin größte Polizeiaufgebot in der Geschichte der Bundesrepublik zusammen. Tränengas und das ohrenbetäubende Rotorengeräusch der tief fliegenden Hubschrauber sollen militante Gruppen einschüchtern.
Polizei hat weiträumig um Brokdorf alle Strassen, auch Autobahnen, gesperrt ...
sodaß der Anmarsch für uns Demonstranten weit, sehr weit ist ... bei Affenkälte
Beginn
des Marsches von 100.000 Demonstranten zum Atomkraftwerksgelände BROKDORF
da
die Polizei auch viele Zugangswege gesperrt hat, versuchen wir, das
Kernkraftgelände über die Felder zu erreichen,
da setzt die Polizei
-militärisch stark aufgerüstet- Helikopter ein und versucht, die Demonstranten
aufzuteilen, einzukreisen
dennoch erreichen wir
"querfeldein" , allerdings erst nach Stunden, mit mehreren tausend
Kernkraftgegnern,
die der Polizei ebenfalls ein Schnippchen geschlagen haben,
das Kernkraftwerksgelände
BROKDORF
1981 Demonstration am Bau-Zaun des Atomkraftwerks
BROKDORF:
Versuch, den Sicherungszaun zu überwinden
größte Friedensdemonstration in Deutschland:
300.000 Demonstranten im Bonner Hofgarten
10. Oktober 1981
dazu aufgerufen hatten unterschiedliche Gruppen mit sehr
ungleichen Motiven:
- von den christlichen Kirchen und den Gewerkschaften
bis zur äußersten Linken -
Ziel : totale Kernwaffenfreiheit Europas
Die 80er Jahre galten als das gefährlichste Jahrzehnt in der
Geschichte der Menschheit, ein 3. Weltkrieg wurde immer wahrscheinlicher. Forderung: die Rücknahme des NATO-Doppelbeschlusses
(um den Abbau der russischen SS 20 zu erreichen und das gestörte
Gleichgewicht wieder herzustellen, hatte die NATO die Aufstellung eigener
Pershing II-Raketen in Westeuropa ab Herbst 1983 angekündigt)
Viele, sehr prominente Teilnehmer der
damaligen Gesellschaft: neben Schriftstellern wie Heinrich
Böll, Walter Jens, Ingeborg Drewitz und Bernt Engelmann beteiligten sich Volker
Schlöndorf, Dieter Hildebrandt, Klaus Staeck sowie prominente Politiker, aber
auch ausgebürgerte DDR-Bürgerrechtler.
Aber auch Prominente aus anderen Ländern zählten dazu, so u.a. Harry
Belafonte
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" ... ich hielt mich weit vorne, in der Nähe der Tribüne, auf. Es strömten, ja drückten immer mehr Menschen Richtung Tribüne, wo man zuletzt dort so arg be- und gedrängt, zusammengepresst wurde, dass einem förmlich die Luft wegblieb. Die Situation spitzte sich allmählich zu. Erst die mit ruhiger, aber bestimmter Stimme vorgetragene Bitte, Aufforderung, u.a. von Böll, doch hinten zu bleiben und nicht weiter vorzudrängen, weiter zu drücken, konnte die gefährliche Situation des Drucks der Massen ein wenig mildern ..." (Jochen A. Hübener, 1981)
STARTBAHN WEST am Flughafen Frankfurt
3. November 1981
beabsichtigter Bau der Startbahn
West
... und damit: Zerstörung eines Teils eines Naturschutzgebiets; Abholzen von Tausenden von Bäumen
allmählich trudeln die ersten Demonstranten,
auch wir, ein,
die sich
gegen den Bau der Startbahn West wehren wollen
hier: am "Bau-Schutz-Zaun" ... vor den
Auseinandersetzungen
von den Demonstranten errichteter
"Wehr"-Aussichtsturm
Auseinandersetzungen vor dem Bauzaun der Startbahn
West
Polizei beschießt uns mit stark "Tränengas-durchtränktem" Wasser
Polizei versucht, uns erst zurückzudrängen ...
... wartet dann ab, bis es dunkel wird ... um ...
... dann abends und nachts gnadenlos, brutal
zuzuschlagen ...
vor allem aber setzt sie rücksichtslos
unheimlich viel Tränengas ein
Menschenkette STUTTGART - NEU-ULM
22.10.1983
Im “Heißen Herbst” 1983 nahm ich in Süddeutschland an der einhundert Kilometer langen Menschenkette von Stuttgart bis Neu-Ulm teil: Hunderttausende reichten sich die Hände und verbanden den Raketenstandort Neu-Ulm mit dem EUCOM in Stuttgart. Aus Protest gegen die damals kurz bevorstehende Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen.
MUTLANGEN
u.a.: September-November 1983
Zahlreiche Demonstranten, darunter viele
Prominente, blockierten Anfang September 1983 das US-Militärdepot in Mutlangen
auf der Ostalb in Baden-Württemberg. Dennoch stimmte die Bundesregierung im
November 1983 der Stationierung von Atomraketen zu.
Hintergrund:
Die 80er Jahre galten als das gefährlichste Jahrzehnt in der
Geschichte der Menschheit, ein 3. Weltkrieg wurde immer wahrscheinlicher. Forderung: die Rücknahme des NATO-Doppelbeschlusses
(um den Abbau der russischen SS 20 zu erreichen und das gestörte
Gleichgewicht wieder herzustellen, hatte die NATO die Aufstellung eigener
Pershing II-Raketen in Westeuropa ab Herbst 1983 angekündigt)
gegen die wahnwitzige weitere Aufrüstung mit Atomraketen in Ost und West
vor amerikanischer Kaserne: zusammen mit Tausenden von Demonstranten
hier u. a. der
Schriftsteller Heinrich Böll
Grossdemonstration gegen die wahnwitzige, weitere Aufrüstung mit Atomraketen in
Ost und West
Grossdemonstration gegen die wahnwitzige, weitere Aufrüstung mit Atomraketen in
Ost und West
u.a. mit: Heinrich Böll, Oskar Lafontaine, Petra Kelly, Erhard Eppler
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